Mitwirkende
Theater in Grefrath
Der Glöckner von Notre Dame
(6. 7. & 8. Dezember 2019, AMH Grefrath-Oedt)
(6. 7. & 8. Dezember 2019, AMH Grefrath-Oedt)
Mitwirkende
Mit der Aufführung „Der Glöckner von Notre Dame“ übertrifft sich das Grefrather Jugendtheater selbst. Alle Beteiligten haben ein berührendes Musical in einer gigantischen Kulisse auf die Bühne gebracht.
Von Bianca Treffer | Foto: Wolfgang Kaiser
Auf der dunklen Bühne der Albert-Mooren-Halle leuchten farbige Lichtpunkte schwach auf, als der Vorhang lautlos zur Seite schwenkt. Glocken erklingen, dann ertönt Gregorianischer Gesang. Mönche in langen Kutten treten aus Nebelschwaden heraus. Es sieht aus, als kämen die Mönche aus einer anderen Sphäre. Das Bühnenbild zeigt die Kathedrale von Notre Dame in Paris. Gewaltige Mauern und ein großes Holzwerk mit einer Empore, auf der ebenfalls Mönche stehen, rücken in den Blick. Kerzen flackern. Hell erleuchtete Kirchenfenster mit filigranen Motiven machen die Illusion, sich in einer Kirche zu befinden, perfekt.
Die Mönche schieben ihre Kutten zurück. „Was für ein Morgen. Paris geweckt von den Glocken von Notre Dame“, startet der erste Solopart des Musicals „Der Glöckner von Notre Dame“, aufgeführt vom Grefrather Jugendtheater unter der Leitung von Magdalena Bartkowiak und Julian Göbel. Ein bekanntes Stück, das vom Grefrather Jugendtheater ein eigenes Gesicht erhält. 25 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen elf und 23 Jahren sind mit von der Partie.
25 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen elf und 23 Jahren spielen und singen sich in die Herzen der Zuschauer. Wobei das gigantische Bühnenbild und die fantastischen Kostüme ein Übriges dazu tun, um einen ganz besonderen Zauber spürbar zu machen.
Der Clou: Die Geschichte an sich wird von singenden Mönchen erzählt, die sich im Laufe des Stückes in die entsprechenden Figuren verwandeln, die ein Teil der Geschichte sind. Die Besucher haben indes erfahren, dass es der 6. Januar 1482 ist und damit in Paris das Narrenfest gefeiert wird. Ein schicksalhafter Tag für die Brüder Frolloe, da einer von ihnen, da er eine Zigeunerin mit in die Kathedrale bringt, aus Notre Dame verbannt wird und Paris verlässt.
Damit nimmt das Schicksal seinen Lauf. Der verstoßene Mönch stirbt und sein geistlicher Bruder nimmt sich des verunstalteten Kindes, nämlich Quasimodo, an und isoliert es im Glockenturm der Kathedrale, fernab von allen Menschen. Es ist herzergreifend anzusehen, wie der buckelige und gebückt laufende Quasimodo – in der Rolle brillierte Julian Göbel – mit den Glocken und den Steinfiguren in seinem Glockenturm spricht und mit knorriger stotternder Stimme von seinen Wunsch erzählt, einmal unten, bei den anderen Menschen zu sein. „Du bist entstellt, du bist hässlich. Draußen verhöhnt man dich“, bekommt er von seinem Ziehvater, Erzdiakon Claude Frolloe, zu hören. Thilo Masbaum schafft es, den bornierten und von sich und seiner Gläubigkeit überzeugten Kirchenmann sehr glaubhaft darzustellen. Ein ergebener Quasimodo, der Frolloe zu Füßen liegt, aber nichtsdestotrotz sein Verbot missachtet und am Narrentag in das Paris der Menschen hinuntersteigt.
Es sind bewegende Szenen, als Esmeralda – hervorragend verkörpert von Amelie Schuffelen – beim Narrenfest Quasimodo die Kapuze vom Kopf zieht und zunächst selber über das Aussehen des Buckligen erschreckt, ihn aber ermutigt auch einmal den Kopf durch die Königsfigur zu stecken, um sich am Narrentag einmal wie der König zu füllen. Doch sie muss ihren Vorschlag bitter bereuen. Das Volk verhöhnt Quasimodo und greift ihn tätlich an. Esmeralda setzt sich für ihn ein, wird aber von Clopin Trouillefou – in der Rolle begeisterte Pasquale Osburg – selber des Platzes verwiesen. Erst Frolloe kann mit Unterstützung des Hauptmanns Phoebus de Martin - Andreas Rücker spielte diesen Part ausgezeichnet – den Sohn seines Bruders retten.
Die Geschichte an sich ist bekannt, aber die jungen Darsteller geben ihr eine ganz persönliche Note. Ob der Dialog zwischen Esmeralda und Frolloe in der Kathedrale, das fröhliche Treiben beim Narrenfest inklusive des Tanzes von Esmeralda, die weitere Begegnung zwischen Quasimodo und Esmeralda – die Gefühle der Zuschauer werden angesprochen. Eine Aufführung, die ans Herz geht und auch ein wenig zum Nachdenken anregt.
Mit großer Begeisterung macht Magdalena Bartkowiak seit über 20 Jahren Theater mit Jugendlichen. Das nächste große Projekt ist ein Musical nach einem Roman von Victor Hugo.
Im Grefrather Jugendheim probt die Theatergruppe unter der Leitung von Magdalena Bartkowiak. Die Qualität der Aufführungen hat sich inzwischen herumgesprochen.
Von Wilhelm Schöfer | Foto: Wolfgang Kaiser
„Schnippst ruhig dabei mit den Fingern und lächelt ein bisschen“, sagt die Regisseurin Magdalena Bartkowiak. Gerade treffen sich etwa 20 Jugendliche zwischen elf und 23 Jahren im katholischen Jugendheim an der Lobbericher Straße in Grefrath. Einige haben Textzettel in der Hand. Geprobt wird ein Song aus dem Musical „Rent, Seasons of Love“, der unter anderem bei der Liturgie für junge Menschen am Karfreitag in der Gemeinde St. Josef in Vinkrath dargeboten werden soll. Es ist nur einer von jährlich rund einem Dutzend von Auftritten, mit dem das Jugendtheater Grefrath seit langem auf sich aufmerksam macht.
Es war Anfang 1997. Ein Kind von Magdalena Bartkowiak, die ausgebildete Physiklehrerin ist und vor 58 Jahren in Polen geboren wurde, besuchte die damalige Johannes-Horrix-Grundschule. Und Schulleiter Hans Gorissen fragte die Eltern, ob sie nicht eine Arbeitsgemeinschaft leiten könnten. Bartkowiak sagte spontan: „Ja, ich habe Bock auf Theater.“ Zuerst wurde vor über 20 Jahren das 20-minütige Stück „Die Schildkröte und der Hase“ aufgeführt. Die Kinder, aber auch Magdalena Bartkowiak, bekamen immer mehr Spaß daran.
Daraus entstand das Grefrather Jugendtheater. Neben den Kindern waren zahlreiche Eltern begeistert von der Idee, schneiderten zu den immer größer und umfangreicheren Darbietungen die Kostüme, bauten Kulissen oder halfen bei der Technik. Das Jugendtheater hat sich mittlerweile nicht nur in der Niersgemeinde einen Namen gemacht.
Im Schwerpunkt standen Musicals, die monatelang geprobt wurden. So unter anderem „Jim Knopf“ (im Jahr 2000), „Tanz der Vampire“ (2007) oder „Das Dschungelbuch“ (2015). Im vergangenen Jahr wurde gleich viermal vor über 1400 Besuchern in der Albert-Mooren-Halle „Mary Poppins“ gezeigt. „Und ich hätte noch mehr Karten verkaufen können, denn es gab viele Nachfragen auch aus den benachbarten Großstädten“, sagte im Vorjahr Pächter Christian Karpenkiel.
Magdalena Bartkowiak, die bereits 2011 für ihr Engagement von der SPD den Grefrather Kulturpreis erhielt, macht dies alles ehrenamtlich. Zuletzt gönnte sich die Theaterleiterin auch selbst mal etwas und fuhr ins Apollo-Theater nach Stuttgart, um sich dort für einen Eintrittspreis von 160 Euro das Musical „Der Glöckner von Notre Dame“ anzuschauen. Das hatte aber einen Grund. Denn schon vorher hatte sie sich entschieden, dieses Musical im Dezember 2019 in Grefrath aufzuführen. Dann nicht vier-, sondern wegen der großen Nachfrage an drei Tagen gleich fünfmal.
Erst vor wenigen Tagen wurden die jungen Schauspieler und Schauspielerinnen über das Stück nach einem Roman von Victor Hugo unterrichtet. „Ich habe zwar schon im Hinterkopf, wer die Hauptrollen spielen wird, so Quasimodo oder Esmeralda, sage es aber noch nicht, wir warten erst einmal die nächsten Wochen ab.“ Nebenher wird auch noch für andere Auftritte geübt. So für die Karnevalsparty am 3. März im Buschbäckerhof in Vinkrath.
Teilweise seit einigen Jahren kommen die jungen Theaterschauspieler, derzeit sind es 26, zu den regelmäßigen Treffs ins Jugendheim, immer mittwochs von 17 bis 19 Uhr. So macht der 23-jährige Julian Göbel seit 15 Jahren mit; er hatte als Drittklässler in der Theater-AG der Johannes-Horrix-Schule begonnen. Julian, der an der Hochschule Niederrhein Soziale Arbeit studiert und entweder Sozialarbeiter oder Schauspieler werden möchte, erzählt: „Ich habe hier viele soziale Dinge gelernt, wie das Teamwork und den Zusammenhalt untereinander, bin selbst dadurch viel selbstbewusster geworden.“
Elisa Schwirtz (18), die die Q 2 der Mülhausener Liebfrauenschule besucht und 2017 die Elisabeth im gleichnamigen Musical spielte, ist ebenso seit langem dabei. Einer der Jüngsten ist der elfjährige Louis. „Es ist sehr cool hier“, sagt kurz und knapp der Schüler der Grefrather Sekundarschule. Ein Jahr älter ist Moritz, der auch seinen Opa, den Arzt Peter Feyerabend, überzeugte. Seit 2017 sorgt der Großvater mit für die stimmliche Ausbildung. Louis und Moritz hatten sich bei „Mary Poppins“ die Rolle des Michael geteilt.
„Wir schaffen selbst das Unmögliche“, sagt Magdalena Bartkowiak. Als Beispiel erzählt sie, dass keiner ihrer Schüler Monate vor der Aufführung des Musicals „Mary Poppins“ steppen konnte, das habe man erst bei einem Workshop in Kevelaer so richtig gelernt. Und ans Aufhören denkt sie noch lange nicht: „Es macht mir selbst noch einen Riesenspaß.“
Julian Göbel entdeckte mit acht Jahren die Liebe zum Theater. Heute ist er 23 Jahre alt und nicht nur auf der Bühne, sondern auch davor im Einsatz. Zum Schauspiel ist die Regie gekommen.
Noch viel vor hat der Grefrather Julian Göbel, wenn es um das Thema Theaterregie geht.
Von Bianca Treffer | Foto: Norbert Prümen
Auf das dritte Schuljahr an der damaligen Johannes-Horrix-Grundschule hat sich Julian Göbel schon als Erstklässler gefreut. „Ich konnte es gar nicht abwarten, endlich in die dritte Klasse zu kommen“, erinnert sich der 23-jährige Grefrather. Und das hatte einen speziellen Grund. In der dritten Klasse bot die Grundschule eine Theater AG unter der Leitung von Magdalena Bartkowiak an, und davon war Göbel fasziniert, seit er das erste Stück dieser jungen Theaterspieler gesehen hatte.
So war er einer der Ersten, die sich auf der Liste für die AG eintrugen. „Pippi Langstrumpf“ war seinerzeit das Stück, das Bartkowiak mit den Drittklässlern einstudierte. Göbel trat als Kapitän Langstrumpf auf die Bühne und war völlig begeistert von der Theaterwelt, in die er ein Stück weit hineingeschnuppert hatte. „Es hat mich erwischt, und ich bin hängengeblieben“, meint der junge Mann lächelnd. Er trat dem Jugendtheater Grefrath bei, das ebenfalls von Bartkowiak geleitet wurde. Seine erste Rolle unter lauter Großen war die eines Sandkorns in dem Stück „Aladins Wunderlampe“. Keine tragende Rolle, aber die Tatsache, Teil eines großen Ganzen zu sein, ließ ihn glücklich und stolz strahlen. „Wobei ich damals total schüchtern war und einen gehörigen Respekt vor den Großen hatte“, erinnert er sich. Es folgten weitere Rollen und erste Hauptrollen, wobei Göbel die unterschiedlichsten Figuren verkörperte, angefangen vom Graf im „Tanz der Vampire“ bis hin zum Milliardär Oliver Warbucks in „Annie“.
Seit seinem Theaterstart mit acht Jahre hat er keine der Aufführungen verpasst. Auch während der Abiturphase ließ er es sich nicht nehmen, Theater zu spielen. Für ihn bedeuteten die Probenstunden keine zusätzliche Belastung, sondern Entspannung inmitten des einstigen Abiturstresses. Zeit fürs Theaterspielen hat er bei all dem Lernen immer gefunden. Im Jugendtheater ist er heute noch anzutreffen und das nicht nur auf der Bühne, sondern auch davor. Der Grefrather ist die rechte Hand von Bartkowiak geworden und mit in der Regie tätig. Wobei es ihm hervorragend gelingt, schauspielerische Fähigkeiten der Jugendtheatermitglieder ans Tageslicht zu bringen. „Das mit der Regie hat sich einfach so ergeben. Ich bin da irgendwie reingewachsen“, meint Göbel. Beruflich würde er ebenfalls gerne den Weg der Schauspielerei einschlagen, aber zunächst einmal hat sich der Grefrather für ein Studium der Sozialen Arbeit entschieden, nachdem er zuvor einige Semester Kulturpädagogik studiert hatte. „In der Schauspielerei Fuß zu fassen, ist nicht einfach. Ich bin zu einer Stipendiumsprüfung an der Stage School für Tanz, Gesang und Schauspiel in Hamburg eingeladen worden. Mit einem Stipendium hat es zwar nicht geklappt, aber ich hätte dort anfangen können. Aber es war mir irgendwie zu unsicher, ganz in die Schauspielerei einzusteigen“, sagt Göbel. Der Wunsch ist aber nach wie vor da. Der Grefrather will einfach abwarten, was sich so ergibt. In einem ist sich Göbel sicher. „Ich wäre nicht derjenige, der ich bin, wenn ich nicht Theater gemacht hätte“, sagt der 23-Jährige.
Das Theater habe ihm ein gesundes Selbstbewusstsein gegeben und ihn ein Stück weit zum Perfektionisten gemacht, fügt er an. Bartkowiak ist indes von ihrem langjährigen Ensemblemitglied begeistert. „Julian hat in all den Jahren viel gelernt, und er ist mir heute mehr als nur eine große Hilfe. Ich weiß nicht, ob ich das alles im Alleingang so weiterführen könnte. Man wird schließlich nicht jünger. Ich freue mich sehr über seine gute Arbeit auf und vor der Bühne“, lobt Bartkowiak. Aktuell sind die ersten Proben für das neue Stück „Der Glöckner von Notre Dame“ angelaufen.
Die Geschichte des Quasimodo, eines Menschen der körperlich anders ist als die meisten anderen Menschen. Die Geschichte eines Menschen, der als „Produkt der Sünde“ verteufelt und dazu verdammt wird ein einsames Leben hoch über den Dächern von Paris im Glockenturm von Notre-Dame zu fristen. Gleichzeitig sehnt sich Quasimodo jedoch nach dem Leben, das sich draußen in Paris abspielt. Sein Versuch an diesem Leben teilzuhaben misslingt. Er wird abgestoßen und gedemütigt. Auch diejenigen, die Mitleid mit dem Sonderling zeigen finden keine Akzeptanz der Masse und riskieren selbst auf Ablehnung zu stoßen. Es ist eine Geschichte, die uns Zuschauer auch heute noch trifft: Es geht um die Angst vor dem anderen, dem Fremden. Es geht um Aggression und Gewalt, die entsteht, weil man eine andere Meinung vertreten wagt oder die eigenen Wünsche und Bedürfnisse ohne Rücksicht auf die anderen durchsetzen will. Es ist eine Geschichte, die die Zuschauer magnetisch in ihren Bann zieht. Sie wird auf der Bühne von singenden Mönchen erzählt, die im Laufe der Erzählung sich in Figuren verwandeln, die ein Teil der Story sind.
Eine große Bereicherung für die Inszenierung ist ein Chor aus Menschen rund um Grefrath, die nicht dem Jugendtheater angehören, sich jedoch spontan bereit erklärt haben bei der Inszenierung aktiv teilzunehmen.